"Als ich vor Jahren mit den Rennrad Straßenrennen anfing, hatte ich noch keine Ahnung, was vor sich geht. Straßenrennen folgen nicht denselben Regeln wie andere Sportarten. Es gibt keine klaren Abgrenzungen wie Runden oder Viertel. Aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass sich viele Ereignisse in verschiedenen Rennen wiederholen und dadurch begann ich die Anatomie der Rennen, zu verstehen." Ein Amateur-Rennen oder Kriterium wie das Dienstag Abendrennen von Mölhin läuft in etwa wie folgt ab: Während der ersten Kilometer bleibt alles ziemlich neutral, bis ein Fahrer sich abzusetzen beginnt. Dann beginnen die ersten Attacken aber niemand kommt wirklich voran, denn alle sind noch frisch und die Vorstellung die nächsten drei bis vier Stunden festzusitzen ist nicht besonders aufregend. Später beginnt sich eine Gruppe von etwa einem halben Dutzend abzusetzen und die Geschwindigkeit des Hauptfeldes reduziert sich. Jeder findet seinen Rhythmus und der Puls pegelt sich bei 120 Schlägen ein. Ein paar schlechtere Fahrer werden jetzt versuchen die Spitzengruppe zu jagen, damit sie nicht im Hauptfeld versauern. Normalerweise landen sie aber im Niemandsland und werden schnell wieder eingeholt. 20 Kilometer vor dem Ziel ist die Spitzengruppe wieder in Sicht und ein paar der besseren Fahrer werden jetzt attackieren und sich dort einnisten. Plötzlich entsteht eine große Gruppe guter Fahrer und das Hauptfeld kann nur zuschauen, während sie langsam Boden gut machen. Das Rennen ist gelaufen. Natürlich muss es nicht immer so kommen, aber das Szenario ist durchaus realistisch. Das Gute an Straßenrennen ist, dass man nie vorhersehen kann was passiert und egal wie gut man das Rennen "lesen" kann, wer nicht die Beine hat sich durchzusetzen wird niemals gewinnen. Umgekehrt wird selbst der beste Fahrer im Hauptfeld stecken bleiben, wenn er nicht weiß, wie er seine Karten ausspielen soll. Im Folgenden sind ein paar Vorschläge, wie man sich am besten verhalten sollte. Konservierung Spar dir deine Kräfte für das letzte Drittel des Rennens. Klar kommen immer welche auf die Idee, sich früh abzusetzen aber das ist OK. Lass sie einfach davonfahren. "Nach einem Kilometer beginnt Despuech, ein unbedeutender Fahrer, eine bescheuerte Attacke. Das Rennen dauert noch 140 Kilometer und er beweist damit nur, dass er in der Hölle keine Chance hat. Er selber weiß das auch, aber immer noch besser zu glänzen und dann zu verlieren, als niemals geglänzt zu haben, und trotzdem zu verlieren." Kenne deine Gegner Auch wenn die oben gemachte Aussage durchaus richtig ist, könnte eine gute Fünfer-Gruppe auf die Idee kommen, das Hauptfeld früh in Bedrängnis zu bringen. In diesem Fall sollte man sich dieser Gruppe wohl anschließen. Besonders deswegen, weil das Hauptfeld immer schneller ist, wenn sich die Spitzengruppe früh absetzt. Die Krux ist, dass man wissen muss, welcher Gruppe man sich anschließt. Und dafür wiederum muss man wissen, wer mit wem zusammenarbeitet. Die Lücke finden. Man muss sich während des gesamten Rennens seiner Position bewusst sein. Wenn man die Spitzengruppe sieht, sollte man versuchen herauszufinden, wie sich der Abstand zum Hauptfeld verhält. Wird er größer oder kleiner? "Hier und da wird man immer wieder auf Leute treffen, die einem "Schneller!" zurufen. Anscheinend glauben manche Leute, dass es darauf ankommt, schnell zu fahren." - Tim Krabbe, The Rider Der Angriff "Attackiere die Spitzengruppe so spät wie möglich, aber früher als andere." - Tim Krabbe. Die Attacke ist eine Kunst und die Reaktion des Hauptfeldes darauf kann variieren. Oftmals ist die beste Zeit zu attackieren, wenn bereits Bewegung in der Spitzengruppe ist und sie langsam am Ende ihrer Kräfte sind. Dann ist die Zeit für eine harte Attacke gekommen und sich richtig reinzuhängen. Eine weitere Methode wäre die "sanfte Attacke", die gut funktioniert, wenn man sich an die Spitze setzen will, aber die Gruppe nicht verunsichern möchte. Das Hauptfeld wird dich nicht als Bedrohung ansehen und andere werden dir kaum folgen. "Jedes Mal, wenn ich mich an die Spitze setze, denke ich: "Heute bin ich stark, also warum sollte ich mich nicht absetzen?" Weil dann meine Chancen sinken. Korrekt. - Tim Krabbe, The Rider Kenne den Wind. Vor dem Rennen sollte man immer den Wind und die Karte studieren. Seitenwind ist sehr schlecht und kann das Hauptfeld in einzelne Gruppen zerspringen lassen. Wenn eine Kurve kommt, an der Gegenwind oder Rückenwind herrscht, bedeutet dies, dass man es bald mit Seitenwind zu tun bekommt. So schwierig es auch sein mag, es ist besser in der Frontgruppe mit Seitenwind zu sitzen, als im Gänsemarsch auf einen nicht existenten Windschatten zu warten. Kenne deine Stärken Kenne deine Stärken "Als guter Sprinter gehört er zu den Favoriten. Und der Favorit muss akzeptieren, dass er erpresst wird." - Tim Krabbe, The Rider Bist du ein schlechter Kletterer, dann setze dich vor dem Anstieg nach vorne, um Energie zu sparen. Bist du ein schlechter Sprinter, dann versuche dich innerhalb einer kleinen Gruppe zu halten. Bist du ein guter Zeitfahrer, dann versuche dich abzusetzen und allein zu gewinnen. Studiere das Ziel und die Distanz Nichts ist schlimmer als seinen finalen Sprint anzusetzen, und dann festzustellen, dass das Ziel bergauf liegt, weswegen man vor dem Start immer die Zielkonditionen beobachten sollte. Während des Warm-ups fahre ich immer die letzten 5 Kilometer vor dem Ziel ab, und versuche prägnante Punkte in der Landschaft zu erkennen. Gibt es Steigungen, Täler, große Kurven? Außerdem sollte man seinen Finalsprint immer an die Konditionen anpassen. Ein flacher 200-Meter-Sprint bedeutet etwa 30 Sekunden volle Auslastung, weswegen man sich sicher sein sollte, dass der Körper dieser Belastung noch standhält. Ansonsten sollte man seinen Sprint lieber in Richtung Ziel verlegen. Wie drücken unseren Teamfahrer des HILITE-Bikes Testteam für die beginnende Saison fest die Daumen.