Zahnriemenantrieb doch nur was für Autos? Es herrscht Aufruhr in der Fahrradwelt. Der amerikanische Hersteller Gates Corporation versucht seit fast vier Jahren das Fahrrad krampfhaft in das neue Jahrtausend zu heben und die bisher einwandfrei funktionierende Kette durch einen Zahnriemenantrieb zu ersetzen, ganz ähnlich dem im Auto. Ein Vorhaben, das bei Fahrradherstellern und deren Endkunden zwiespältige Gefühle und heftige Diskussionen auslöst. Auf den ersten Blick nicht verständlich, denn da erscheint der neue Antrieb als echte Alternative zur herkömmlichen Kette. Er bringt eine ganze Menge Vorteile mit sich, die wirklich beachtenswert wären – wären sie nicht allesamt mit negativen, real erprobten Tatsachen zu widerlegen. Der wohl größte Vorteil dieses Gates Carbon Drive ist derjenige, dass er– wie aus dem Auto bekannt – nicht geschmiert werden muss. Was gleichzeitig bereits als verminderter Wartungsaufwand gewertet wird. Aber stimmt das wirklich? Wie alle mechanischen Teile bleibt auch ein Carbonriemen und dessen Komponenten von Verschleißerscheinungen nicht verschont. Das wiederrum hat Auswirkungen auf die für die Funktionalität so wichtige Spannung des Riemens. Um den Spannungsverlust wieder auszugleichen muss der Riemen nachgezogen werden - ein Umstand, der durchaus unter den Begriff Wartung fällt, möchte man lange Spaß mit dem Carbon Drive haben. Eng mit dem Öl freien Riemenantrieb verbunden ist die Aussage, dass fortan keine Hosenbeine oder Waden mehr verschmutzt werden. Ein Punkt, der in der Tat nicht wegzudiskutieren ist und eindeutig auf das Konto des Zahnriemens geht. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch ein vernünftiger Kettenkasten die Verschmutzung von Bein und Kleidung verhindert, die Lebensdauer der Kette erhöht und der herkömmliche Antrieb damit nicht weit hinter dem Riemen zurückbleibt. Ein weiterer Punkt, der als positiver Aspekt genannt wird, ist die verminderte Geräuschentwicklung mit der das Fahrradfahren im Vergleich zu einem kettenbetriebenen Fahrrad nahezu lautlos ist. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass Fahrräder niemals lautlos sein werden - Wind- und Abrollgeräusche lassen sich nicht vermeiden – ist dieser Punkt ebenfalls nichts, was einen dazu verleitet auf den Zahnriemenantrieb umzusatteln. Der Hersteller propagiert weiter, dass der Zahnriemenantrieb gegenüber dem Kettenantrieb eine erhebliche Gewichtsersparnis einbrächte. Was auch stimmt. Der Carbonriemen ist leichter als die Kette. Aber nur mit einem Zahnriemen ist es bei dem Antrieb nicht getan. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, empfiehlt sich die Nutzung eines sogenannten „Snubber“, eine Spannrolle, die verhindern soll, dass der Riemen bei hohem Krafteinsatz aus der hinteren Riemenscheibe springt und es zu Stürzen und Verletzungen kommen kann. Nimmt man das und die Empfehlung, dass die kleine Riemenscheibe für eine langfristige Nutzung besser aus Stahl gefertigt sein sollte, zusammen, schrumpft der Gewichtsvorsprung des Gates Carbon Drive auf ein Minimum. Als letzten und wohl gewichtigsten Grund, sich für einen Zahnriemenantrieb zu entscheiden, wirft der Hersteller die Behauptung in den Raum, dass ein Carbonriemen eine weitaus höhere „Lebenserwartung“ hat, als die Kette. Doch auch diese Aussage ist mit Vorsicht zu genießen und zu hinterfragen. Wie bei allen mechanischen Teilen hängt es sowohl bei dem Riemen, als auch bei der Kette von der Art der Nutzung und Pflege ab, wie lange sie einem dauerhaften Betrieb standhalten. Dieser Antrieb soll 20.000 km Laufleistung erbringen können – unter den besten Voraussetzungen und der Prämisse, dass alle anderen Verschleißteile ebenso lange halten und nicht vorher ausgetauscht werden müssen. Eine Laufleistung, die eine Kette beim sorgsamen Umgang und unter Schutz des Kettenkastens, wahrscheinlich übertreffen kann. Erschwerend kommt die Aussage des Fahrradherstellers Velo hinzu, die besagt, dass es wohl am besten wäre den Endkunden niemals selbst an den Zahnriemenantrieb heran zu lassen und alle damit verbundenen Reparatur- und Wartungsarbeiten einem Fachmann zu überlassen. Und wer möchte schon ein Fahrrad haben mit dem man für jede technische Differenz eine Werkstatt aufsuchen muss – dafür hat man doch schon das Auto. Denn damit würde das Fahrrad einen Teil seiner Faszination einbüßen, ungehemmt daran herum schrauben zu können, sich selbst noch die Finger schmutzig zu machen und sich damit ein kleines Stück Unabhängigkeit zu bewahren in Zeiten, in denen man von allen Seiten mit Serviceangeboten bedrängt wird. Man stelle sich nur mal die Situation einer Fahrradtour vor, der Zahnriemen reißt und dann? Eine herausgesprungene Kette lässt sich leicht wieder in geregelte Bahnen führen – ein gerissener Riemen muss komplett ausgetauscht werden und das womöglich in unwegsamen Gelände, wo es eher unwahrscheinlich ist, einen neuen aufzutreiben und jemanden, der sich mit dem Austausch auskennt. Überhaupt lässt der Riemenantrieb in puncto Alltagstauglichkeit zu wünschen übrig. Wie Testergebnisse ergeben haben, reagiert ein Carbonriemen auf Umwelteinflüsse wie Regen, Schnee, Eis und Matsch nicht gerade positiv. Vielmehr lassen diese alltäglichen Bedingungen das Risiko eines Riemenrisses erheblich ansteigen. Und das kann zur echten Gefahr für den Fahrer werden, wenn dieser gerade kräftig in die Pedal tritt und plötzlich keinen Widerstand mehr fühlt – ein Umstand, der unweigerlich Stürze und schlimme Verletzungen als Folge hat. Ein Zahnriemenantrieb erfordert zudem für eine reibungslose Funktion eine extreme Genauigkeit an die gegebenen Voraussetzungen. Das heißt, dass u. a. die Achsen exakt aufeinander ausgerichtet sein müssen, ein Unterschied von maximal 0,3 Grad ist das Äußerste, was vorkommen darf. Ein Umstand, der, so Velo, Rahmenbauer an die Grenzen ihrer Fähigkeiten treibt. Im Gesamten betrachtet bietet der Zahnriemenantrieb also viele Vorteile, doch auch mindestens doppelt so viele Nachteile. Mit Riemenantrieb versehene Fahrräder sind in ihrer absoluten Alltagsuntauglichkeit demnach nicht der neue Stern am Mobilitätshimmel. Um es mit einem Sprichwort auszudrücken: „Schuster, bleib bei deinen Leisten.“ Und der Zahnriemen im Auto. HILITE-Bikes wir daher vorerst noch kein Gates Carbon Drive Zahnriehmenantrieb in seine Fahrräder verbauen.