Ex-BDR-Verbandsarzt Wolfgang Stockhausen im Gesprch mit Dirk Mller vom Deutschlandfunk: "Die neuen Vorwrfe gegen den Radsportverband UCI, mit Dopingsndern unter einer Decke zu stecken, seien fr Insider nicht berraschend, sagt Wolfgang Stockhausen, ehemals Verbandsarzt im Bund Deutscher Radfahrer. Doping funktioniere als flchendeckendes System, in dem berall Stillschweigen herrsche. Dirk Mller: "Eine Ungeheuerlichkeit", schreibt die Sddeutsche Zeitung. Das Image des Radsports wird noch einmal miserabler, auch wenn das kaum vorstellbar ist. Jetzt stehen alle im Verdacht, das ganze System, die Doping-Kontrolleure, auch Dopinglabore, auch der internationale Radsportverband UCI. Wieder einmal ist Lance Armstrong Auslser des Ganzen, sein ehemaliger Teamkollege Tyler Hamilton, der selbst wegen Dopings gesperrt war, hat in einem CBS-Interview behauptet, ich habe selbst gesehen, wie Lance Armstrong verbotene Bluttransfusionen erhalten hat. Dies die eine Nachricht, jetzt die andere. Laut Tyler Hamilton hat der internationale Radsportverband gemeinsam mit einem Schweizer Dopinglabor eine positive Dopingprobe von Lance Armstrong bewusst unterschlagen. - Ist der Radsport noch zu retten? Darber sprechen wollen wir nun mit dem Mediziner Dr. Wolfgang Stockhausen, seit Jahren im Antidopingkampf engagiert, ehemals Verbandsarzt im Bund Deutscher Radfahrer. Guten Morgen! Wolfgang Stockhausen: Guten Morgen. Mller: Herr Stockhausen, stecken alle unter einer Decke? Stockhausen: Die meisten! - Die meisten. - Das ist ein System. Das funktioniert auch nur als System. Mller: Warum hat sich das so etabliert? Stockhausen: Der Sport hat sich selber professionalisiert und ist zu einem Riesengeschft geworden. Gerade der Radsport ist insbesondere auch deswegen gefhrdet, weil all jene, die fr sich selber beschlieen, eventuell sauber zu fahren, sich ausschlieen von dieser Sportart. Insofern: Um dabei zu sein, muss man heute dopen. Mller: Das heit, wer dopt, verliert? Stockhausen: Wer nicht dopt, verliert. Mller: Entschuldigung! Wer nicht dopt, verliert? Stockhausen: Wer nicht dopt, verliert. Der ist gar nicht erst dabei. Das ist fr den Laien vielleicht gar nicht so ersichtlich, aber die Geschichte von Floyd Landis vor ein paar Jahren auf der Tour mit seinem Einbruch und dann dem Wiedererscheinen wie Phnix aus der Asche, die hat jetzt auch jedem gezeigt, wie Doping funktioniert und welche Wirkung Doping hat. Mller: Wenn wir jetzt Mitte der 90er-Jahre dieses Interview gefhrt htten, dann htte das jeder eingesehen. Seitdem gibt es harte Dopingkontrollen, es gibt ein internationales Regime, was das alles kontrollieren soll, es gibt den Aufschrei in der ffentlichkeit, es gibt die Reaktionen in den Medien. Warum hat sich nichts gendert? Stockhausen: Der Sport ist zum Selbstlufer geworden, und gerade im Radsport sind ja die Hauptschaubhne die groen Rundfahrten. Dort wird das Geld verdient, das ist die hauptinteressante Bhne letztlich auch fr die ganzen Sponsoren, und da wird im Prinzip die Musik gemacht. Wenn man jetzt aufdecken wrde, msste man im Prinzip die ganze Sportart zunchst mal abschaffen. Damit wre alles am Boden und dann knnte man sie wieder aufbauen und dann msste man aber auch der ffentlichkeit sagen, dass man im Prinzip Jahre oder Jahrzehnte gelogen hat und dass die Ware, die man dann verkauft hat, auch in den Medien, eigentlich eine faule Ware war. Mller: Das heit, alle Appelle beziehungsweise alle Bekundungen zu sagen, wir werden jetzt sauber, waren alle gelogen? Stockhausen: Mehr oder weniger ja. Man darf das nicht zu pauschal sagen. Es gibt saubere Fahrer, es gibt anstndige, es gibt anstndige Funktionre, man darf das nie ber einen Kamm scheren. Nur die sind still, weil es ntzt nichts, wenn man sich hinstellt und schreit, ich war aber sauber und die haben alle gedopt. Ich kenne persnlich auch Beispiele. Aber im Prinzip, das Ganze funktioniert nur als System und genauso wie das eben in dem Kommentar auch kam, es ist viel flchendeckender, weil es funktioniert auch nur, wenn Labors mit eingeschlossen sind, wenn kontrolliert wird, und wenn berall Stillschweigen herrscht. Mller: Im Moment luft ja der Giro d'Italia, ein bedeutendes Rennen, dann kommt im Sommer wieder die Tour de France. Das heit, jeder Fan, jeder Begeisterte und auch jeder Kritiker, der kann sich im Grunde reinen Wein einschenken und sagen, das Dopen geht weiter? Stockhausen: Im Prinzip ja. Mller: Was heit im Prinzip? Im Prinzip heit, dass die groen Teams nach wie vor darauf setzen? Stockhausen: Ja, weil es hat sich im Prinzip nichts gendert. Die Verschleierungsmethoden sind diffiziler geworden, der Aufwand darum herum um das Dopen ist grer geworden. Aber wir mssen uns vor Augen fhren: Die Substanzen, die im Moment auf dem Markt sind, sind so vielfltig, dass man da gar nicht mehr direkt hinterherkommt. Also man geht davon aus, dass man vielleicht 150 verschiedene Sorten EPO inzwischen hat. Beim Wachstumshormon, bei Wachstumsfaktoren hat man das Zhlen aufgehrt. Also dieser Kampf mit Dopingkontrollen, dass man jetzt die Hoffnung hat, einen direkten Nachweis von irgendeinem Versto zu finden, funktioniert nicht. Wir mssen uns in Zukunft mit indirekten Methoden auseinandersetzen, und dann muss man das auch wollen. Aber das kann gar nicht passieren, weil damit das etablierte System sich eigentlich selber abschaffen muss. Mller: Ich frage Sie dennoch noch mal danach, Herr Stockhausen. Kennen Sie Funktionre, kennen Sie auch rzte, die sich redlich damit auseinandersetzen, die wirklich versuchen, es zu verhindern? Stockhausen: Ja! Nur die sind dann nicht mehr dabei. Die werden nicht gefragt. Ich bin deswegen auch ausgeschieden aus dem Ganzen. Mller: Welche Erfahrungen hatten Sie gemacht? Stockhausen: Na gut, das war um die Festina-Phase herum, und ich meine, das war auch eine Phase, wo das Doping wirklich dann flchendeckend wurde und wo jeder dann merkte, dass man ohne Doping nicht mehr mitkam. Und im Prinzip war der wesentliche Kommentar, den ich gehrt habe, passen sie bitte auf, dass nichts auffllt. In der Situation, wo ich dann, sagen wir mal, meine Ttigkeit abgrenzen wollte, weil man wird ja konfrontiert mit Ansprchen aus dem Bereich des Sportes, die nahezu selbstverstndlich sind. Wie, du hast das nicht oder jenes nicht? Es wurde selbstverstndlich erwartet, dass man Hmatokrit-Werte berprft im Profibereich, was ich natrlich nicht gemacht habe, und da habe ich mich darum bemht, um gewisse Richtlinien zu kriegen, dass ich eben nur rztlich ttig bin und nicht in anderer Weise. Da kriegt man dann so viel Gegenwind und es stehen natrlich sofort genug andere Kollegen auf der Matte, die das Ganze dann bernehmen. Mller: Also Sie konnten sauber bleiben? Stockhausen: Ich war sauber. Mller: Sie haben in Freiburg gearbeitet, in der Uniklinik. Da waren viele Sportrzte ja beschftigt, engagiert mit einem hohen Sachverstand. Viele davon sind der Versuchung, der Verlockung offenbar erlegen. Konnten Sie mit denen sprechen? Stockhausen: Ja. Mller: Und was haben die gesagt? Stockhausen: Von mir? Mller: Oder wie haben die Ihnen geantwortet auf Ihre Kritik? Stockhausen: Ja, ich wrde das nicht so richtig sehen. Und mir wurde dann auch gedroht von der sportlichen Leitung einer Telefonfirma, dass man mich verklagen wrde. Mller: Aber Sie haben mit den Kollegen darber diskutiert? Stockhausen: Ja. Mller: Kein Einsehen? Stockhausen: Das hat man ja gesehen. Man hat das ja gesehen. Und wenn man das jetzt auch noch weitertreiben mchte? - Das Geschft ging ja sehr strukturiert, also auch strukturierter, als ich mir das je htte trumen lassen knnen, und wenn man dann noch mal sieht, wenn man die Rolle der UCI sieht: Ich glaube noch in dem Jahr, wo Telekom dann aufflog, wo der Betreuer dann dieses Buch da verffentlicht hat, hat ja die UCI noch eine ganz groe Kampagne gestartet wider das Doping und hat dann gerade dieses Team auch mit als Vorreiter dann in die ffentlichkeit gestellt, die jetzt den anderen Teams zeigen sollten, wie jetzt wirklich sauber ist. Und wenn man dann nachtrglich die ganzen Enthllungen sieht, welch verlogene Situation das Ganze ist, dann fllt man da wirklich vom Glauben ab. Mller: Kommen wir noch einmal auf die groe internationale Dimension zurck. Herbert Fischer-Solms, unser Sportredakteur, mit dem haben wir gestern natrlich ber das Interview gesprochen. Er ist ja fest davon berzeugt, dass der Weltverband mit unter einer Decke steckt, dass er das System mittrgt, wie auch das eine oder andere Dopinglabor. Glauben Sie das auch? Stockhausen: Ja! - Ja. Das ist ein Insiderwissen, und diese Geschichten sind ja auch schon sehr, sehr alt. Dass die groen Veranstalter da sehr starke Einflsse hatten, was und wie kontrolliert wird und wer kontrolliert wird. Das sind alles Insidergeschichten. Das ist nichts, was man so wirklich in der ffentlichkeit erzhlen kann, aber das ist nichts, was den, der eine Weile dabei war, in irgendeiner Form berraschen wrde. Mller: Schauen Sie sich noch Radfahren an im Fernsehen? Stockhausen: Ja, ab und zu zappe ich da mal durch und sehe das. Ich meine, man kriegt dann immer wieder feuchte Hnde, wenn man sieht, bergauf, bergrunter, aber sagen wir mal so, dass ich jetzt Ergebnisse verfolge, oder mir Gedanken mache, wer sitzt hinter dem Trikot, das nicht mehr, nein. Da ist das Ergebnis der Relegation im Fuball viel wichtiger fr mich. Mller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der Mediziner Wolfgang Stockhausen, ehemals Verbandsarzt im Bund Deutscher Radfahrer. Vielen Dank fr das Gesprch und auf Wiederhren. Stockhausen: Danke schn." Doping ist Betrug gegenber allen fairen Sportlerinnen und Sportlern und im hohen Mae gesundheitsschdigend. HILITE-Bikes sagt: DOPING NEIN DANKE!!!